seit ich am samstag schrieb, dass es filzmässig gerade nicht so gut laufe und ich dazu vielleicht bald mehr schreiben wolle, überlege ich, ob man das überhaupt soll, oder darf oder kann, über das scheitern schreiben, oder - weniger dramatisch - über schwierigkeiten, die man mit seiner arbeit hat. vor allem dann, wenn man diese arbeiten ausstellen und verkaufen will.
so ganz sicher bin ich mir immer noch nicht, aber ich will es trotzdem versuchen.
und zwar beginne ich mit dem ganz konkreten beispiel aus der vergangenen arbeitswoche. für die demnächst anstehende erste ausstellung mit den filzwelten brauche ich noch ein paar neue ausstellungsstücke, kleine, mittlere, grosse, einfach ein paar, die ich hier noch nicht gezeigt habe, oder die vielleicht das thema der geflochtenen würfel weiterführen. nun weiss ich inzwischen ganz gut, mit welchem material ich die würfel am besten mache, wie mit dieser wolle das beste verhältnis zwischen streifenbreite, materialstärke und objektgrösse zu wählen ist. andererseits gibt es da die eine oder andere wolle, mit der ich mir vorstellen könnte, dass es auch klappen könnte, oder die ich einfach mal gerne ausprobieren will, weil ich mir eine spezielle wirkung davon erhoffe. auch mit dieser wolle habe ich schon gefilzt, aber eben keinen würfel. proben in der fläche, auch geflochtene, sind leider zwar für entwürfe schön, aber wenig aussagekräftig in funktioneller hinsicht. also bleibt mir nichts anderes übrig, als einfach anzufangen, einen würfel zu filzen. dazu braucht es vorfilz, doppelt so gross wie der spätere würfel, plus faktor x für die schrumpfung. materialmenge und streifenbreite wähle ich nach gefühl, es ist ja ein versuch. ich lege aus, in zwei schichten, ich filze an, wie weit, auch da geht es nach gefühl, ein bisschen mehr, die eine wolle ist eine mittelgrobe naturwolle, die wird auch noch gut angefilzt später die anderen fasern packen, aber auch nicht zu viel, die andere wolle ist kurzfaserig und fein und macht vielleicht in der oberfläche rasch dicht. ich schneide zu, ich lege aus, ich flechte, fühlt sich alles ganz gut an, vielleicht ein bisschen zu dick für die verhältnismässig schmalen streifen. aber trotzdem lässt sich die geflochtene oberfläche ganz gut miteinander verbinden, zuerst jedenfalls, bis ich feststelle, dass die streifen bereits beim reiben zu schrumpfen beginnen, und zwar noch, bevor sich die verschiedenen flächen so richtig miteinander verbunden haben. dadurch entstehen, logisch, an den ecken der flechtstreifen löcher. an dieser stelle muss ich den versuch - leider oder glücklicherweise - abbrechen. irgendeine andere pflicht ruft, und ein unglückseliges, unfertiges objekt bleibt auf meinem tisch liegen.
am nächsten tag filze ich
ein objekt der kategorie sichere sache.
die sache, vor allem aber die wolle, die einen so schönen dunkelbraunen farbton hat, lässt mir aber keine ruhe. breitere streifen, ein grösseres objekt, damit die ecken während dem filzprozess nicht zu sehr strapaziert werden, dazu insgesamt weniger material, so dass die einzelnen streifen nicht so dick werden, meist nutzt es ja, ein paar parameter zu ändern, um aus einem fehlversuch ein gelungenes objekt abzuleiten. auch will ich diesmal den vorfilz nicht so stark verfilzen, lieber nehme ich ein bisschen verschwommene konturen in kauf. das führt dann als erstes dazu, dass ich beim flechten aufpassen muss, dass die streifen nicht immer länger und dafür auch schmäler werden. und ja, die beiden verflochtenen schichten verbinden sich wieder zuerst ganz gut, aber dann wieder dasselbe phänomen: obwohl ich nur möglichst oberflächlich reibe fangen die streifen an zu schrumpfen. die noch schwachen verbindungen an den kanten, vor allem aber an den ecken, reisst es förmlich wieder aus dem material heraus. so ein mist! nun bin ich sicher, diese wolle taugt für diese technik nicht.
da ich diesmal aber sorgfältig beobachtet habe, wage ich einen rettungsversuch: kreuzung für kreuzung, also öffnung für öffnung fasse ich mit kunstfasergarn ein, ziehe sie zusammen und verknote die fäden. das halbfertige filzobjekt sieht bald aus wie das opfer eines schweren verkehrsunfalls. aber ich kann weiterfilzen, die löcher schliessen sich zwar nicht ganz, aber werden auch nicht mehr grösser, ein funktionstüchtiges objekt steht schliesslich da. ich habe zwar in etwa doppelt so lange gebraucht wie normalerweise (inklusive fädenziehen nach der genesung des patienten), aber ich habe ein brauchbares ergebnis, das nicht nur seine funktion erfüllt, sondern auch von der gestaltung her in etwa meinen vorstellungen entspricht. nur der weg, der mich dorthin geführt hat, ist nicht so recht nach meinem geschmack. man sieht es dem fertigen objekt zwar nicht an, es ist aber für mich mit dem makel der notfallmässigen versorgung von löchern behaftet.
andererseits habe ich eine menge gelernt an diesen beiden objekten, von denen eines (bisher) als gescheitert betrachtet werden muss, das andere als gerade noch einmal gerettet. ohne solche versuche wüsste ich viel weniger über die faktoren, die zum erfolg führen. ginge immer alles gut, wäre das zwar schön, aber ich wüsste wohl kaum, woran es liegt, dass es gelingt. nicht nur die technik, mit der ich filze, sondern auch die verwendeten materialien und das zusammenspiel von material und technik entwickeln sich im zusammenspiel von versuch und irrtum. nicht nur zu meinem vorteil, sondern auch zum weitergeben an kursteilnehmerinnen. und manche irrtümer muss man auch zweimal begehen um sich sicher zu sein, dass sie solche sind.
warum also dann nicht auch mal vom scheitern berichten? vielleicht weil ich nicht will, dass sich die besucher der filzausstellung überlegen, ob sie nun vor einem geretteten objekt stehen? weil ich denke, dass wohl kaum eine wissen will, wie die tasche, die sie gerade bei mir kauft, auf der intensivstation für verunfallte filzobjekte ausgesehen hat? weil sonst überall (oder zumindest in vielen blogs) heile welt herrscht und alles so sauber und ordentlich und präsentabel daherkommt, dass man manchmal das gefühl hat, in einem grossen werbekatalog gelandet zu sein?
nun bin ich mir immerhin ein wenig sicherer geworden, dass man vom scheitern berichten kann, ja vielleicht sogar muss. weil uns letztlich nur die fehlversuche wirklich weiterbringen.
(nun wollte ich eigentlich noch etwas zum scheitern in filzkursen sagen, aber das verschiebe ich wohl auf ein andermal. falls es sich interessiert, sprechen sie mich darauf an.)