Sonntag, 25. Juni 2023

fest, fluss, kino, klimakatastrophe: alles dabei

lange schon hier nichts mehr einfach so geschrieben. obwohl ich ja eigentlich mittlerweile bei ereignisbezogenen posts angekommen bin, fehlt mir ab und zu das aufschreiben von dem, was auch noch so war.

denn es ist durchaus nicht nichts passiert: 


wir haben ein schönes sommerfest mit beinahe 30 menschen in unserem garten gefeiert. dazu liesse sich entweder ganz viel oder eben einfach nur schreiben, dass es schön war. und alle ganz begeistert, in dieser konstellation zusammenzukommen. der garten wurde gelobt. und das essen, das aber zur hälfte von den gästen mitgebracht worden war. 

es war wochenlang heiss und trocken, dann gab es gewitter und damit endlich wieder regenwasser in den tonnen im garten. der garten hat mehr oder weniger das öfter hier thematisierte explodieren eingestellt, es war einfach zu trocken. ich stelle fest, dass mir in diesem jahr die dokumentarischen bilder der gartenentwicklung fehlen. die tomaten entwickeln sich trotzdem prächtig. 

ich musste eine vorstandssitzung mangels teilnehmerinnen von präsenz in chur auf online eine woche später umverlegen. obwohl ich mit dem ergebnis zufrieden bin und der sommerbrief, unser vereinsnewsletter, nun quasi veröffentlichungsfertig ist, fehlt mir das physische zusammentreffen. vor allem für das neue vorstandsmitglied stelle ich mir das komisch vor. aber vielleicht ist es ja auch ganz in ordnung so. 

dafür konnte ich dann am eigentlichen sitzungstag hier in baden an den feministischen streik gehen. zumindest so lange, bis es mir in der mittagssonne zu heiss wurde. 

der stadtamann schlug sich nicht so toll bei der erklärung was flinta-personen sind...

wir waren schon zwei mal im fluss und haben die phase, in der es viel überwindung kostet, ins kalte wasser zu gehen, anscheinend einfach übersprungen. (das bädle im eigenen garten verliert mit zunehmendem abstand zur pandemie immer mehr an attraktivität. um richtig zu schwimmen habe ich mir eine jahreskarte fürs schwimmbad gekauft, wenn die schulter mittäte, könnte ich jetzt wieder grosse strecken schwimmen.) 

die tochter hat alle abschlussprüfungen erfolgreich absolviert - demnächst gibt es noch eine abschlussfeier vom berufsverband, interessanterweise am vormittag. wir werden auch noch mit ihr feiern, wissen aber momentan mangels gemeinsamer freier termine noch nicht wann. 

und gestern waren wir ein bisschen erlebnishungrig. zuerst fuhren wir mit den rädern auf idyllischem weg nach lenzburg ins stapferhaus, um die ausstellung "natur - und wir?" zu sehen. das stapferhaus ist bekannt dafür, die grossen fragen der zeit in anregenden ausstellungsarrangement zu thematisieren. die dritte ausstellung im eigenen haus kümmert sich nun um unser verhältnis zur natur. die ausstellung wird komplett barfuss begangen und als interaktives element bekommt jede besucher:in einen plastikscheibe, den kompass, mit dem sie an bestimmten punkten fragen beantworten kann, wie es denn mit dem ganz persönlichen verhältnis zur natur bestellt ist. auch räumlich im grossen ausstellungsraum um das zentrale thema klimakatastrophe angeordnet, finden sich einzelaspekte des themas, die allerdings auf mich ein wenig beliebig wirkten. es geht um den fuchs, dessen sichtweise man einzunehmen eingeladen ist, aber auch um unser verhältnis zu hunden, weniger naheliegend um pilze und die mikroben, die uns besiedeln, sehr spielerisch um steine, ein wenig unterwältigend um die kommunikation mit pflanzen und noch einiges, was sich mir nicht so sehr eingeprägt hat. bei den einzelthemen spielt das thema klima kaum eine rolle - dafür wird es dann im letzten raum wieder intensiv aufgegriffen, anhand einer diskussion, die stellvertretend für die gesellschaftlichen positionen vier personen führen: ein technikfan, eine informierte, ein ganzheitlich denkender, eine desinteressierte. die diskussion wird immer wieder auf entscheidungsfragen zugespitzt und hier kann nun wieder die besucher:in aktiv werden - die ergebnisse der abstimmungen werden angezeigt und bestimmen den verlauf des weiteren gesprächs. leider war ich die meiste zeit mit kai alleine im raum und da ich schon ungefähr weiss, wie er zu bestimmten fragen der klimadebatte steht (sehr ähnlich wie ich), war das nicht sehr spannend. 


insgesamt war ich noch mehr angetan wie kai, aber keinesfalls restlos begeistert. ja, das thema klima ist eine wichtige, wenn nicht die wichtigste frage der zeit, aber vielleicht hätte man auch den mut haben können, die ausstellung dann so zu benennen? 

mir fällt in der ganzen debatte immer wieder auf, dass der begriff der "natur", die wir menschen angeblich retten müssen vor den veränderungen, die wir als menschen verursacht haben, eigentlich völlig unangebracht ist. was wir retten müssen, sind die lebensumstände, die uns menschen ein überleben auf der erde ermöglichen. dafür ist es notwendig, dass die natur, wie wir sie kennen brauchen und sie uns nützlich ist, einigermassen intakt bleibt. die natur an und für sich muss nicht gerettet werden, denn auch wenn es deutlich menschenfeindlicher zuginge auf unserem planeten, blieben da immer noch genug lebewesen, die sich damit pudelwohl fühlten. vielleicht halt dann keine wirbeltiere, keine höheren pflanzen, aber pilze? bakterien? ganz sicher. (na ja, immerhin darüber nachgedacht. also vielleicht doch eine gute ausstellung?) 

auf dem rückweg über schloss wildegg noch an einem der schönsten orte im aargau eingekehrt - auf eben diesem schloss wildegg, dessen gärten der organisation prospecierara dazu dienen, alte nutzpflanzensorten zu erhalten und unter hobbygärtner:innen zu verbreiten. tropfen auf den sprichwörtlich heissen stein, aber es tut gut, das zu sehen. 

nach einer kleinen pause zu hause (vegane moussaka aufgewärmt, dazu an der salatvertilgung gearbeitet) ging es dann gleich weiter zum stadtkino. der älteste sohn ist hier engagiert und manchmal ist es gut, ihn bei solchen gelegenheiten einfach zu treffen. gezeigt wurde in der badener altstadt play with the devil - ein film über einen schweizer musiker, der quasi aus versehen zu einem star der blackmetallszene wird. nun ist blackmetall nicht meine musik, aber der film zeigt ganz schön die mechanismen der musikindustrie. witzig, liebevoll gemacht und falls sie die unwahrscheinliche gelegenheit haben, den film zu sehen, eine klare empfehlung.


 


Freitag, 16. Juni 2023

kunstradfahren

das radfahren im städtischen umfeld fand ich während unserer ferien in saarbrücken eigentlich überhaupt das beste. mit dem velo zwischen kleingärten, durch parks, industriegebiete, oder einfach eben durch die stadt. 

radfahren in der oder viel mehr in die stadt geht hier natürlich auch. unsere motivation war so ein bisschen multikausal. ich muss ein wenig ausholen.

auf der fahrt zum achtzigsten geburtstag hatten wir mitten im schönsten frühlingssonntagsnachmittag halt gemacht am schauwerk in sindelfingen, um die ausstellung von chiharu shiota zu sehen. 

für ein ehemals als hochregallager dienendes gebäude der schaufler foundation hat die künstlerin die installation "silent words" geschaffen. auf einer raumpe kann man bis ganz nach oben gehen, wo die vielen, vielen fäden mit den buchstaben an einem netz befestigt sind.

ja, irgendwie schon beeindruckend, aber halt zusammen mit dem alten sekretär am boden halt schon arg bedeutungsschwanger und nah am kitsch. 

ein paar tage später kam dann der hinweis auf die neue ausstellung im haus konstruktiv - auch hier ist seit dem 1. juni eine ausstellung der japanischen künstlerin zu sehen. hier nun liessen sich der wunsch nach einer städtischen fahrradtour und einem museumsbesuch verknüpfen. 

also radelten wir das limmattal hinauf, zuerst auf vertrauten wegen bis ungefähr dietikon, dann suchten wir uns ein stück weit den eigenen weg am friedhof entlang und unter der autobahn durch selbst, um am bahnhof urdorf auf die mittelländer hügelroute zu treffen. mit ein paar zwischenfällen (route verloren, wo ist jetzt das schild, wohin zeigt der pfeil?) brachte sie uns direkt zur sihl und damit fast direkt ins haus konstruktiv. inklusive erstklassiger aussicht über das limmattal und den zürcher westen. 

die hier gezeigte installation von chiharu shiota trägt den titel "eye to eye" - wieder fäden, die von der decke hängen und die zwischen den eingehängten brillen einen weg für die betrachterin frei geben. hm. 

die zeichnungen und kleineren objekte sehr, sehr ähnlich wie in sindelfingen und wir waren uns einig: zu wenig geheimnis, zu viel bedeutung. 

dafür gefiel uns die ausstellung des uns ebenfalls völlig unbekannten italieners salvatore emblema um so bessere (ich witzelte schon, dass man bei so einem namen ja stark vorbelastet sein müsse, wenn man damit kunst machen wolle). uns überzeugte die sehr ruhige, karge ausstrahlung der objekte, die uns das thema der lücke, des herausgenommenen geradezu aufdrängten. 

bevorzugtes material des künstlers - zunächst aus finanzieller notwendigkeit, später aus überzeugung - ist eine sehr grobe, ungebleichte leinwand. zunächst noch vor allem bemalt, geht emblema später dazu über, einzelne fäden oder ganze gruppen aus der struktur zu entferne und eröffnet so einen durchblick auf das dahinter. 

sehr tolle entdeckung! 

nach dem museum gings weiter durch die stadt - zuerst stärkten wir uns noch am ufer der sihl, dann versuchten wir der radroute 32 rhein-hirzel-linth zu folgen, mit dem ziel, den katzensee zu erreichen. grundsätzlich funktioniert das ganz grossartig, wenn man sich eine radroute sucht, die einen an den ort bringt, wo man hin möchte und sich dann einfach der routenführung überlässt - wenn da nicht diese dämlichen aufkleber wären...

je tiefer die schilder hängen, desto mehr sind sie beklebt ... und erkennt man aus der nähe noch mit einiger mühe zahl und richtung der route, wird dies während der fahrt und von weitem nahezu unmöglich. am meisten genervt war ich von einem aufkleber, der "freiräume erhalten" forderte - ja halt auch freiräume für radfahrer!!! und auch ein "gegen rechts"-aufkleber auf einem rechtsabbiegepfeil ist dämlich, denn manchmal gehts halt einfach rechts - aus purer notwendigkeit und auch für die, die prinzipiell auch "gegen rechts" sind!!! 

der weg an sich war aber spannend und führte zunächst (via unterführung) um den hautpbahnhof herum, durch den platzspitz-park, an der limmat und der badi am unteren letten entlang...

... dann durch wipkingen zum buchegg-platz, weiter durch oerlikon und affoltern weitgehend auf nebenstrassen und mit genau dem effekt, den wir auch in saarbrücken schon hatten: wir sahen viel neues, was wir bisher weder zu fuss, noch mit dem auto oder aus der tram gesehen hatten. nach einigen irrwegen landeten wir wohlbehalten am katzensee, badeten, assen hamburger und machten uns dann auf den schon sehr vertrauten heimweg nach baden.

Montag, 12. Juni 2023

12 rosen vom 12. juni 2023

 zugegebernmassen: beinahe hätte ich es verpasst. und als es mir gerade einfiel, war das licht im garten genau richtig, um die rosen zu fotografieren. mit ein bisschen glück und einem kleinen trick habe ich zwölf verschiedene rosen zusammenbekommen. aber sehen sie selbst: 

(ich weiss von keiner der rosen den namen - einen teil haben wir mit dem garten übernommen, einen teil geschenkt bekommen und die wenigen, die ich selbst gekauft habe, waren jetzt nicht mehr am blühen.) 

an der terrasse blühen eine weisse und eine tiefrosa edelrose.

daneben eine mit kleinen gefüllten hellrosa blüten.

neben der veranda eine weisse, wenig gefüllte.

hinterm haus eine vermutlich kletternde rose, seit ich ihr im vergangenen jahr ein gerüst gebaut habe, zeigt sie sich sehr dankbar.

vor dem haus steht eine gefüllte rose, deren blüten so dicht gefüllt sind, dass sie es gar nicht richtig schafft, sie zu öffnen. vor allem wenn es regnet, ist das kein schöner anblick. tut es aber seit wochen nicht.

über der garage noch eine kletterrose - meien hoffnung ist ja, sie über den gesamten eingangsbereich zu ziehen. es fehlen noch etwa 4 meter.

im beet vor dem haus die rose, die wir zum fünfzigsten geschenkt bekommen haben. ungefüllt, aber wenn ich mich richtig erinnere, remontierend.

und auch die kleinen rosa blüten erscheinen noch den ganzen sommer im vorgartenbeet.

eine duftende edelrose ist schon fast durch mit der ersten blüte.

und auch die alten rosenstöcke im chaosbeet haben bereits ein wenig den charme der vergänglichkeit.

definitiv verblüht sind alle wilden, nur einmal blühenden rosen - hier eine einfach rosa blühende, an einem anderen ort ist bereits eine weisse verblüht und auch die frisch gesetzte rosa glauca hat uns eine einzige blüte geschenkt.

beinahe vergessen: die rosa multiflora am gewächshaus. tja, die war gestern auch noch schöner.

meine zwölf rosen schicke ich nun zu caro, die auch heute wieder die gastgeberin für 12 von 12 ist! danke. (und falls sie jetzt nur bahnhof verstehen, das konzept von 12 von 12 gibt es auch bei ihr nachzulesen.) 



Donnerstag, 8. Juni 2023

wir lassen uns einbürgern (teil 2)

hier folgt die fortsetzung des blogeintrags vom februar "wir lassen uns einbürgern/teil 1". 

es hat gute zwei wochen gedauert, bis wir wieder von unserer gemeinde gehört haben - alle unterlagen waren vollständig und wir wurden für den 6. juni zum gespräch mit der einbürgerungskommission eingeladen. diesem brief beigelegt war auch die rechnung der gemeinde für die einbürgerung, sowie eine erklärung zu den werten der schweizer verfassung, die wir beim gespräch unterzeichnen sollten. 

ein bisschen lustig war, dass wir eigentlich in dieser juniwoche urlaub geplant hatten - aber nur so weit, dass kai zwar frei genommen, wir aber noch keine konkreten pläne hatten. also kürzten wir unsere urlaubswoche ein bisschen ab und schauten, dass wir rechtzeitig zu unserem termin wieder im lande waren. die tochter hatte dazuhin am tag vor dem termin schriftliche abschlussprüfung. 

natürlich unterhielten wir uns ab und zu von ende februar bis anfang juni über diesen termin - jeder von uns hatte einen einzeltermin, jeweils im halbstundentakt - und überlegten, was wir so gefragt werden würden. ziemlich sicher waren wir uns, dass es vor allem um die gemeinde und die nähere umgebung gehen würde, aber ob wir nur die drei ortsteile wissen müssten oder vielleicht alle gemeinderäte beim namen nennen, das blieb im dunkeln. 

obwohl die befragung erst am abend stattfinden sollte, nahmen wir uns für den tag nicht viel vor, ausser gartenarbeit, die aber auch dringend getan werden musste. kai entdeckte dann noch eine kantonale liste mit vorschlägen, was so eine einbürgerungskommission fragen kann ... und das bereitete uns dann doch ganz gut auf das gespräch vor. 

als erstes war die tochter dran, wir sahen uns noch kurz am gemeindehaus, als nächstes dann ich. von anfang an erlebte ich die situation als sehr wohlwollend, alle fünf anwesenden personen (übrigens alles frauen) stellten sich vor, einige gesichter waren mir bekannt, und dann ging es mit den fragen los, die eine person stellte. alles wurde mitprotokolliert und zusätzlich auf band aufgenommen. 

ich wurde gebeten, mich vorzustellen und kurz zu erzählen, wie und warum ich in die schweiz gekommen war und warum ich mich einbürgern lassen wolle. anschliessend musste ich auskunft zum sozialsystem geben, zur altersvorsorge, zur krankenversicherung und zu sozialabgaben. es ging ein bisschen um den kanton, ein bisschen um die gemeinde. am nettesten fand ich die frage, was ich in der gemeinde und in der umgebung gästen von auswärts zeigen würde. nun verfügt unsere gemeinde eher nicht über herausragende bauwerke oder sensationelle attraktionen, sondern ist bodenständig unspektakulär mit allem wichtigen wie schwimmbad, bibliothek und einkaufsmöglichkeiten ausgestattet. wie sich herausstellte, gaben wir alle drei mehr oder weniger übereinstimmend die umgebende natur, die schöne aussicht und die badegelegenheiten als hauptattraktionen an... 

bei den wichtigen flüssen vergass ich den rhein, bei den gemeindeanlässen den 1. august (vielleicht weil er ja nicht speziell für unsere gemeinde ist, sondern schweizweit gefeiert wird...), aber es blieb alles sehr entspannt und nach guten zwanzig minuten wurde ich vor die türe geschickt, weil die damen sich beraten mussten. dort traf ich auch schon kai, der als letzter von uns dran war. es ging dann aber recht schnell, ich wurde wieder hereingeholt und mir erklärt, dass die einbürgerungskommission mich zur einbürgerung an den gemeinderat empfehlen wolle, wenn dieser entschieden habe, ginge die sache weiter an den kanton und dann an den bund. zeitrahmen in etwa 10 monate. ich durfte noch die erklärung zur schweizer verfassung unterschreiben (wofür ich mir den eigenen füller zu benutzen ausbat). 

nachdem wir alle drei für würdig befunden wurden, die schweizer staatsbürgerschaft zu bekommen, heisst es also nun: warten.

 

Mittwoch, 7. Juni 2023

ein ungewöhnliches urlaubsziel: saarbrücken und umgebung

manchmal läuft es ein wenig seltsam, wenn man schon zu anfang des jahres, oder noch besser ende des vorhergehenden die urlaubswochen planen soll. so haben wir in diesem jahr, obwohl der urlaub in den frühlingsferien noch gar nicht so lange her ist, auch noch die beiden ersten juniwochen frei. mea culpa - ich hatte einen termin falsch eingetragen und als wir das bemerkten, war es zwar noch nicht zu spät, aber es hatten sich bereits neue termine im kalender angesammelt. schlussendlich fanden wir die idee, zuerst zu einem achtzigsten geburtstag zu fahren und danach dann weiter, die fahrräder mitzunehmen und irgendwo in deutschland fahrradfahren zu gehen, dann auch eine ziemlich gute. nur wurde unsere reisezeit dann wiederum durch einen anderen unverschiebbaren termin limitiert und so orientierte sich die auswahl des reiseziels auch an einer möglichst nicht so langen anreise. rechtzeitig fiel uns dann wieder ein, dass wir schon sehr, sehr lange die völklinger hütte im saarland besuchen wollten. die konnten wir von unserem zwischenstopp aus in gut drei stunden erreichen, also ideal. ferienwohnung gebucht (in radentfernung zum unesco-weltkulturerbe), ein bisschen ausserhalb saarbrückens und knapp hinter der französischen grenze - am dienstagabend startete unser fünftägiger kurzurlaub in der region saarbrücken. 

den ersten tag nutzten wir zum ankommen. 

blick auf die saar

wir suchten den besten anschluss ans radwegenetz und stellten fest, dass radfahren zum spass (entlang des saarradwegs) deutlich einfacher ist als radfahren als transportmittel von a nach b. letzteres wird bei der radwegeplanung regelmässig vergessen. nicht nur im saarland, aber da halt auch. unterwegs wurden wir von einem radelnden einheimischen angesprochen, der auf dem weg vom alten saarbrücker flughafen, der jetzt ein naturschutzgebiet ist bis vor die stadt mit informationen zu landschaft und stadt versorgt. und zur mentalität der menschen: "hauptsach gut gess" wurde in den nächsten tagen auch zu unserem motto.

ehemaliger lokschuppen der garteneisenbahn

rückweg über den deutsch-französischen garten, wo es vor längere zeit eine kindereisenbahn und einen sessellift gab. jetzt ist es einfach ein sehr schöner landschaftsgarten, der rege von den menschen besucht und genutzt wird. mit dem rad darf man durchfahren, aber nur auf einem weg und nur mit maximal 10 km/h.

auch zur völklinger hütte machten wir uns mit dem rad auf - und scheiterten diesmal an einer vernünftigen strecke. vielleicht gibt es aber auch einfach keine bessere - nein, die gab es, die entdeckten wir dann zwei tage später aus der anderen richtung kommend. ahnungslos wie wir aber am mittwoch noch waren, folgten wir den wegweisern und fuhren einen knappen kilometer auf der stadtautobahn in gegenrichtung auf einem 50 cm breiten weg - allerdings wenigstens durch eine leitplanke getrennt. der rest der strecke war dann easy und führte immer an der saar entlang. 

meist durch viel grün, vor allem blühende hecken- und duftende multiflorarosen. aber kurz vor dem ziel halt auch am stahlwerk entlang. 

die völklinger hütte ist eine grosse eisenhütte, deren anfänge im neunzehnten jahrhundert liegen. hier wurde bis in die achtziger jahre hinein roheisen aus eisenerz und kohle hergestellt. als sie stillgelegt wurde, lohnte sich eine demontage aufgrund des niedrigen schrottpreises nicht. ein glücksfall, denn so blieb sie fast unverändert erhalten, bis sie in den neunziger jahren als erstes denkmal der industrialisierung ins unesco-weltkulturerbe aufgenommen wurde. heute dient das gelände aber nicht nur als industriemuseum, sondern auch als ausstellungsort für kunst.

wir hatten uns ein bisschen schlau gemacht, über mögliche führungen und natürlich die momentanen ausstellungen und entschieden, dass wir auf jeden fall zwei tage auf dem riesigen gelände verbringen wollten. am ersten tag nahmen wir an einer führung zur eisenverhüttung teil und das war gut so: denn so blieben die riesigen rohre, schornsteine, stahlzylinder, die verwirrende anordnung der lorenbahn, der materialsilos und sonstigen rätselhaften anlagen nicht einfach bloss gruslig-schön vor sich hin rostende kulisse, sondern wir bekamen einen eindruck davon, wie hier bis vor vierzig jahren noch gearbeitet wurde. 

zwei stunden liefen wir treppauf und treppab, liessen uns den prozess der eisenverhüttung erklären, und sahen von der materialmischung über die sinteranlage  bis zum hochofen selbst vieles, aber nicht alles. ab dem kommenden jahr wird man hier auch die kokerei (aus der kohle musste zuerst ds energiereichere und wasserärmere koks hergestellt werden) und die trockengasreinigung (ein verfahren das hier auf der hütte entwickelt wurde) anschauen können. was man sich kaum vorstellen kann: die arbeitsbedingungen der menschen, die hier extremer hitze, gefährlichen gasen, heisser schlacke und glühendem erz aber auch oft der witterung ausgesetzt und in grosser höhe arbeiteten. 

in der möllerhalle wurden erz und sinter gemischt, mit denen später die hochöfen befüllt wurden.

mit einem eigens dafür entwickelten system von selbstfahrenden elektrischen loren und seilbahnstrecken wurde das material auf die ebene der hochöfen transportiert.

einer der sechs hochöfen, umgeben von den winderhitzern sieht man ihn eigenlich gar nicht.

von der hochofenebe, der sogenannten gichtbühne, kann man die beiden schlackeberge hermann und dorothea sehen, die ihren namen nicht goethe, sondern dem ehemaligen fabrikbesitzerpaar zu verdanken haben. 


die arbeiter, die von hier oben die hochöfen abwechselnd mit riesigen mengen erzmischung und koks befüllen mussten, durften dafür kam einen blick gehabt haben, mussten sie doch immer aufpassen, dass sie nicht zu viel vom kohlenmonoxidgas abbekamen, das aus den öfen beim öffnen herausströmte.

auch nicht lustig war sicher dieser arbeitsplatz, an dem abwechselnd die schlacke aus dem ofen geräumt und das roheisen abfliessen gelassen wurde. das eisen wurde und wird auch noch heute (aber von einem anderen platz aus) noch heiss ins stahlwerk gebracht, auf der schiene. 

nach zwei stunden intensiver besucherführung waren wir reif für ein päuschen. zuerst sassen wir einfach noch so ein bisschen und schauten auf die riesige, verwirrende anlage. anschliessend erkundeten wir aber noch das so genannte "paradies", den teil des ehemaligen fabrikgeländes, der dem verfall überlassen wurde und den sich die natur stück für stück zurückerobern darf - der aber auch als ausstellungsort für die regelmässig stattfindende street-art biennale dient. 








für die rückfahrt wählten wir einen anderen weg, der uns nach einer strecke an der saar über ein idyllisches tal und einige hügel von der französischen seite her zur ferienwohnung brachte. 
 
am abend assen wir in einer gastwirtschaft auf den spicherer höhen -  mit blick auf ehrenmale für die gefallenen einer der ersten schlachten im deutsch-französischen krieg am 6. august 1870. ein krieg, der für mich bisher nur ein datum war, hier trafen wir auf schritt und tritt auf kriegsgräber und erinnerungen an diesen konflikt unter nachbarn. kaum vorstellbar ist für uns heute diese feindschaft, da wir ohne hindernisse jeden tag mehrmals die deutsch-französische grenze überquerten, auf deren beiden seiten jeweils fast genau so viel französisch wie deutsch gesprochen wird. 
 
für den zweiten tag auf der völklinger hütte nahmen wir das auto - so schön war der weg mit dem rad doch nicht gewesen. und wir bekamen so die gelegenheit, etwas früher vor ort zu sein, denn heute brauchten wir zeit - viel zeit, um uns die filme von julian rosefeldt anzuschauen, die im rahmen der ausstellung "when we are gone" zu sehen sind. hauptstück ist die installation "euphoria", eindeutig mehr als ein film, der den kapitalimus in frage stellt, denn zusätzlich zur hauptleinwand sind vier drummer und der chor aus schüler:innen zu sehen, die zwischen den einzelnen teilen des films die grossartige musik performen. (ein kleiner eindruck, leider nur vom hauptfilm und der musik bietet dieser trailer.) 
es fühlt sich schon ein wenig seltsam an, bei schönstem wetter zwei stunden auf grossen kissen in einer ehemaligen industriehalle im dunkeln herumzuliegen und filme anzuschauen, aber es war jede minute wert. und he, zu was hat man sonst urlaub?

diesmal hatten wir uns auch ein picknick mitgebracht, denn leider gibt es nur an einer sehr unattraktiven ecke der hütte einen biergarten. so durchwanderten wir abermals das paradies, verpflegten uns, und mäanderten anschliessend durch die teile des areals, die wir noch nicht gesehen hatten. mehr streetart, mehr morbider charme des zerfalls. 
 







und immerhin haben wir auch noch die installation zum gedenken an die zwangsarbeiter:innen, die während des zweiten weltkriegs im werk tätig waren, gefunden. 

aus den blechkästen tönte ein stimme, die die namen der zwangsarbeiter:innen vorlas.
 
zum finale stiegen wir noch mal ganz nach oben, auf die besucherplattform. 


und wir haben tatsächlich noch einen roheisentransport gesehen! in den zigarrenförmigen behältern zwischen den gelben teilen ist flüssiges roheisen, das von dillingen in das stahlwerk fährt.




wir waren uns einig, dass es eine sehr gute idee gewesen war, uns zwei tage zeit zu nehmen, um die völklinger hütte zu erkunden. slow tourism, wir sind die fans dieser art des reisens. 

oder manchmal halt auch nicht. 

denn an diesem abend fuhren wir noch zur saarschleife - zum abendessen und zu einem anschliessenden abendspaziergang zur aussichtsplattform. 


dafür hatten wir es am samstag dann wieder echt gemütlich - ausser einem ausflug auf den bauernmarkt in saarbrücken, kaffeetrinken im hinterhof und den vorbereitungen für ein ausführliches picknick am abend im deutsch-französischen garten haben wir nichts getan. naja, halt noch ein klitzekleines stückchen radgefahren sind wir dann schon auch noch. 


am sonntag hatten wir die wahl zwischen einer nachmittagsführung durch ein kohlebergwerk im französischen petite rouselle oder einer radtour... und entschieden uns für die radtour, denn die führung klang ein bisschen sehr nach virtueller realitätssimulation. 
also radelten wir nach saargemünd, wie uns mehrfach empfohlen worden war. entlang der saar geht es eigentlich immer eben, teilweise auch am saarkanal entlang. und die strecke ist nicht wirklich weit. 
 

ja, es steht wirklich überall industrigeschichte herum. oder einfach alter krempel. 

in sarreguimens, wie saargemünd auf französisch heisst, fanden wir wieder einen freiwilligen fremdenführer, der uns darauf aufmerksam machte, dass hier früher viel keramik hergestellt wurde.


die schönen fliesen am ehemaligen casino der fabrik hätte es uns auch gesagt - aber verschwiegen, dass es ganz in der nähe ein museum gibt, das die technik der industriellen keramikherstellung zeigt.
 
das liegt dann schon an einem zufluss der saar, der blies, in der ehemaligen bliesmühle. dort wurde früher vor allem der rohstoff für die keramikproduktion hergestellt, heute kann jedoch den kompletten produktionsprozess dort nachvollziehen. 
 

 
und zwar von der herstellung des tongemischs, das in platten gepresst wurde...
 

.... über die ausformung über modeln und das giessen der hohlformen, bis zum brennen... 


... und zum anschliessenden bemalen und glasieren. 
 
es wurden dort auch verschieden aktivitäten für kinder angeboten, vielleicht auch, weil am ersten sonntag im monat der eintritt ins museum frei ist. 

uns zog es mehr in die gärten, wo die natur nicht ganz so wild wie bei der völklinger hütte die ehemalige industrieanlage überwuchert, sondern ein landschaftsgärtner am werk war. es blühten vor allem die rosen, viele davon nur einmal blühend, wir hatten also grosses glück, den garten in diesem zustand zu sehen.

den kaffee gab es im museumskaffee aus porzellan aus saargemünder produktion, das linke modell hätten wir gleich mitgenommen....


ein kleines stück folgten wir auf dem rückweg wieder der saar, bogen dann aber in welferding ab, um über einige steigungen (was sind wir dankbar für unsere e-velos) auf einen höhenzug zu gelangen, der uns eine rundumsicht bis zu den vogesen erlaubte. nach einer weile änderte sich die landschaft, es ging durch kleine wälder, über felder und schliesslich hinunter nach morsbach. hätten wir hier einen guten platz für eine kleine pause gefunden, wären wir vielleicht auf die idee gekommen, den heimweg über petite roselle zu nehmen, so fuhren wir im tal durch wohngebiete zurück zur ferienwohnung und später zum abendessen doch noch einmal nach alt-saarbrücken. durch die vielen pausen unterwegs und die abwechslungsreiche route war uns kaum aufgefallen, dass wir 70 kilometer geradelt waren. 

fazit der reise: an der saar gibt es viel zu entdecken - nicht nur industriegeschichte, aber davon besonders viel und intensiv. ob wir noch einmal wieder kommen? vielleicht zu einer anderen ausstellung in der hütte, eher nicht zum radfahren, das uns aber in den letzten tagen doch viel spass gemacht hat.