samstagmorgen stand ich alleine und für ein wochenende mittelfrüh auf, um nach zürich zu fahren. ohne frühstück, denn das barcampCH*, zu dem ich mich angemeldet hatte, sollte mit frühstück beginnen.
am bahnhof erwischte ich den früheren zug und hatte so gelegenheit, zu fuss durch die stadt zum veranstaltungsort, dem kulturzentrum karl der grosse, zu gehen. nicht mehr ganz so frühmorgens sind in zürich schon erstaunlich viele touristengruppen unterwegs, die mir später am tag noch nie so aufgefallen waren.
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foto: Claudio Schwarz |
viertel nach neun startete also mein abenteuer barcamp. ich hatte zwar schon an verschiedenen orten von solchen veranstaltungen gelesen, aber noch nie selbst eines besucht. das ankommen war erstmal ein wenig verwirrend, einfach ein papierschild nehmen, name drauf und dann unter die menge mischen fühlte sich zu wenig offiziell an. gut, dass ich mittlerweile frühstückshunger hatte und mit kaffee und gipfeli versorgt auch gleich mit einer anderen erstbesucherin am tisch landete (und feststellen durfte, dass ich schon ganz gut über das prozedere informiert war).
um zehn ging es dann in den grossen saal. nach einer kurzen vorstellungsrunde für etwas mehr als 50 personen (nur name und drei begriffe, bei mir: bloggerin, filz, garten) startete die sessionplanung.
eine session dauert etwa 45 minuten, die inhalte kommen von den teilnehmern selbst und werden in der sessionplanung spontan vorgeschlagen. man weiss also nicht vorher, was einen an der "unconference" so erwartet. während der sessionplanung werden die inhalte auch kurz vorgestellt, aber man muss schon ziemlich gut sein, wenn man sich das alles bis am späten nachmittag merken will.
ich wählte als erste session die mit dem thema "konsensieren" - was auch vielleicht die session gewesen sein wird, aus der ich am meisten mit nach hause nehmen konnte.
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foto: Claudio Schwarz |
es ging darum demokratische prozesse besser zu machen durch neue abstimmungsmethoden, bei denen es keine (oder zumindest weniger) verlierer gibt, wer mehr wissen will, bitte
hier entlang.
der vormittag blieb bei mir politiklastig, denn weiter ging es mit politischen onlinekampagnen. ein rundumschlag mit vielen beispielen, aber letztlich zu viel, dass es zu einer diskussion gekommen wäre, es blieb beim reinen faktenaufzählen. und so ganz klar, wie sich politische, de facto also vor allem parteienkampagnen von denen aus der wirtschaft unterscheiden, war mir bis dahin nicht so ganz klar.
dann: mittagessen. leckeres gemüsecurry, vom zentrum karl der grosse zubereitet. überhaupt war die ganze veranstaltung durch sponsoren für alle teilnehmer umsonst.
nach einem pausenkaffee auf der terrasse ging es gleich weiter mit den sessions. mir fiel die entscheidung schwer, allmählich konnte ich mich auch immer schlechter an das erinnern, was bei der vorstellung zu den einzelnen angeboten gesagt worden war. aber storytelling hörte sich nützlich an. also erfuhr ich so mittelviel neues über instastories (vor allem) und über die
sechstagechallenge, die die veranstalter der session vorstellen wollten. im unterschied zu den beiden sessions am vormittag war dies also auch ein bisschen eine werbeveranstaltung. dinge vorstellen, die man in einem etwas ausgedehnteren rahmen dann auch käuflich erwerben kann, vor allem coaching und beratungen, das ist offensichtlich auch eine möglichkeit bei einem barcamp.
ein bisschen ambivalent finde ich das schon, auch weniger offen als bei den weniger zweckgebundenen sessions. denn wenn jemand etwas vorstellt, was er persönlich spannend findet (zum beispiel das konsensieren in der ersten session) bleibt für mich mehr raum zum (auch mal kritischen) nachfragen. klar geben die anderen (kommerzielleren?) sessions auch zunächst etwas an die teilnehmer weiter, aber da kann ich dann entweder konsumieren oder auch nicht.
nachdem ich bisher nur männer in den sessions erlebt hatte, die teilnehmenden aber gefühlt eher ausgeglichen über die geschlechter verteilt waren, wollte ich um 15 uhr mal eine weibliche sicht haben und entschied mich für das "hier und jetzt" - fand aber recht schnell heraus, dass mir das thema eher nichts zu sagen hatte. nun war zwar bei der einführung gesagt worden, dass man jederzeit eine session auch verlassen könnte, ich brauchte aber doch noch weitere fünf minuten, um wirklich zu gehen. immerhin konnte ich meinen stuhl an jemanden weitergeben. über den gang hinweg gab es dann robotik für greenhorns, da verbrachte ich dann den rest der zweiten nachmittagssession.
zum schluss wurde es nochmal spannend, denn eigentlich passte mir nichts mehr so recht, ich entschied mich dann für die session, an deren vorstellung ich mich am wenigsten erinnern konnte: wünsche und ängste.
und je länger ich darüber nachdenke, desto mehr glaube ich, dass ich da opfer eines soziologischen experiments geworden bin. angefühlt hat es sich jedenfalls ziemlich so. vielleicht hätte man schon hellhörig werden sollen, als man nicht gleich sehen durfte, was auf das flipchart geschrieben wurde...
nun, nach beginn der session wurde das dann umgedreht und der sessionleiter bat darum sich zu überlegen, welche unausgesprochenen ängste und wünsche die teilnehmenden in sachen beziehung, intimität und sexualität beschäftigten.
es dürfte ein grobvakuum oder zumindest ein unterdruck im raum entstanden sein, vor lauter tiefem einatmen. und dann wurde losgeredet, nicht unbedingt als antwort auf die frage (man war ja auch eigentlich nicht zum erzählen, sondern zum nachdenken aufgefordert worden) und ich bekam den eindruck, dass das alles so nicht gedacht war. am ende berichteten vier, fünf personen mehr oder weniger intimes aus ihrem leben, es fielen worte wie "ratschläge", sofort sinnvollerweise heftig kritisiert, es wurden geschlechtsstereotypen geritten und gleich wieder auf die weide geschickt und als die stunde um war, fragte ich mich, was das jetzt war.
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feedbackrunde - foto: Claudio Schwarz |
gut gab es die feedbackrunde zum runterkommen und überlegen, was alles schön war am barcamp. es wurde dann noch ein wenig gesungen (joa, hätte man jetzt für mich nicht unbedingt machen müssen) und viel gelobt, es gab aber auch noch ein bisschen mimimi-kritik. dann aufräumen der räume und ab auf die terrasse zum grillieren.
da war dann zeit, mit ein paar menschen einfach so zu reden, in entspannter atmosphäre. man war sich einig, dass das barcamp eine tolle sache ist und so sehe ich das auch: man braucht zwar eine gewisse toleranz gegenüber obskurem, aber man trifft doch einen ganzen haufen menschen, die interessante dinge zu erzählen haben, von denen man bisher gar nicht ahnte, dass sie interessant sein könnten. also unbedingt wieder ans barcampCH im nächsten jahr, vielleicht überlege ich mir dann auch eine eigene session.
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und so ein tag am barcamp macht müde. natürlich auch der abend nach dem barcamp, weil ich kai ausführlich erzählen musste, was ich erlebt hatte. aber am sonntag war ich teilweise schon ziemlich geschafft.
gemütliches frühstück im garten, dann kuchenbacken und während der kuchen im ofen war, lesen. aber nach der anschliessenden limmatschwimmrunde war ich dann komplett im eimer. kaffee und kuchen, dann pause, dann familiensitzung, dann kam der vermieter zu besuch und wir wissen nun, dass wir das haus, das verkauft werden soll, besenrein (und nicht etwa komplettgereinigt) hinterlassen dürfen. aus den restlichen tomaten sosse kochen für die morgige pizza, dann ein gemüsecurry aus den meisten restegemüsen, dann tatort.
so wenig ist es letztendlich doch nicht gewesen, was ich am sonntag gemacht habe, aber weil ich den tag über nur selten aufs mobiltelefon geschaut hatte, fiel mir erst beim zubettgehen auf, dass ich seit zwei tagen keine mails mehr bekommen hatte (nicht einmal spam!) und das musste ich dann doch noch dem mittleren sohn schnell mitteilen. der wiederum ganz schnell reagierte und meinen mailaccount heilte. irgendetwas ist schief gegangen um zusammenhang mit der am freitagabend so spontan live gestellten neuen website, aber nun ist alles gut und ich kann in die neue, für mich erste arbeitswoche nach den ferien starten.
*wer sich unter dem begriff barcamp nichts vorstellen kann, bitte
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