Montag, 23. Oktober 2017

sonntagsausflug oder: warum steht keine sitzbank vor dem baselitz?

eine unsichere (für das mittelland) bis schlechte (für die berge) wettervorhersage machte uns die planung für einen familienfreien sonntag nicht eben einfach. dazu kam noch, dass ich nach dem filzkurs am samstag (bericht folgt) auch noch ein bisschen erschlagen war, also wünschte ich mir zuerst mal: auswärts frühstücken.
eigentlich sind wir ja auch daheimfrühstückprofis, und hätten fast alles - und sogar mehr marmeladenauswahl - auch zuhause haben können, aber so schön angerichtet und mit latteart gibts das dann halt doch nur auswärts. für uns gestern im kafi dihei in zürich. und es war sehr lecker, nur mit der gemütlichkeit haperte es ein bisschen, wurden wir doch allzuoft gefragt, ob wir noch eine weile sitzen wollten, zum ersten mal schon als wir noch nicht mal die hälfte des frühstückstellers gegessen hatten...

frühstück im kafi dihei

auf dem weg zum frühstück hatten wir schon dank sbb-verbindungsempfehlung und falsch ins telefon eingegebener adresse einen mittelgrossen morgenspaziergang gemacht - wir überlegten unterwegs glatt, ob sich die sbb-app nun dem nudging verschrieben hat und einfach der ansicht war, wir müssten uns ein bisschen bewegen, bevor wir uns ein frühstück verdient hätten und uns deshalb am güterbahnhof ausstiegen liess. also nahmen wir nach dem frühstück vom café aus die tram und fuhren direkt vor das kunsthaus, unser nächstes ziel an diesem mittlerweile sonnigen sonntagsmorgen.


dort waren wir tatsächlich noch nie gewesen. an der kasse ahnte ich dann auch schon ansatzweise warum, denn es gehört zu den wenigen museen in der schweiz, die sich nicht dem museumspass angeschlossen haben und für die wir als museumspassinhaber also zusätzlich eintrittsgeld bezahlen müssen. zu zweit war das gestern zu verschmerzen, zumal wir uns auch "nur" für die sammlung entschieden. sammlung, also ein an der kunstgeschichte seit dem mittelalter orientierter chronologischer gang durch die jahrhunderte, das hatten wir ohnehin schon lange nicht mehr gemacht und unversehens fand ich das dann auch erst ein bisschen seltsam. themenorientierte, künstlerorientierte ausstellungen fokussieren die aufmerksamkeit ja meist zunächst auf einen aspekt, auch wenn man letztendlich doch vielleicht was ganz anderes in so einer ausstellung entdeckt, aber hier standen wir nun plötzlich zwischen offiziell wichtiger, ernsthafter kunst. da das haus zusätzlich zur zeit umgebaut wird und so der rundgang eben nicht im mittelalter beginnt, geriet uns der museumsbesuch auch zuerst einmal zu einem fröhlich-bildungsbürgerlichen ratespiel um die gegenwartskunst des 20.jahrhunderts. glücklicherweise hatten wir die kinder nicht dabei, die finden das immer nicht so lustig. aber so zu zweit machte es uns grossen spass, die richtigen künstler zu erraten (naja, oder eben zu wissen...).

hodler im vordergrund
der gang durch die zeit führte uns dann zuerst einmal zurück ins frühe 20. und 19. jahrhundert, die alten meister liessen wir links liegen und entdeckten im treppenhaus des alten kunsthausgebäudes einige gemälde von augusto giacometti, einem uns bisher unbekannten mitglied der künstlerfamilie giacometti. fotografiert habe ich keines, was ich jetzt ein bisschen bedauere, denn der hodler im treppenhaus gibt zwar schön die stimmung und die architektur des alten kunsthauses wider, aber den kennt man ja sowieso.
den malstil von augusto giacometti, der auf wikipedia mit "koloristik" umschrieben ist, kann man hier ganz gut sehen. die "steinhauer", ein grossformatiges ölgemälde in ebendiesem stil kann ich leider nirgends finden, dabei fand ich gerade das im kontrast zu den hodlerbildern so spannend!

hodler im hintergrund
sehr spannend auch zu sehen, wie sich das verständnis von architektur für die kunst im laufe der jahrhunderte gewandelt hat. so ganz habe ich den überblick nicht gewonnen, denn zwischendurch gab es immer wieder kleiner erweiterungsbauten, aber die zwei grossen gebäude wurden jeweils 1910 und 1976 eröffnet, und spiegeln den zeitgeist sehr gut wieder. nun wird seit 2015 wieder gebaut, eine grosse neue erweiterung nach einem entwurf von david chipperfield.

müllerbau von 1976

und was habe ich für mich von diesem museumsbesuch mit nach hause genommen?
eine kunstpostkarte von einem gemälde augusto giacomettis, damit ich mich an dessen eigenartig gespachtelte malweise erinnere.

beuys`olivestone
und die olivestones von beuys (natürlich nicht physisch, das wäre eh ganz und gar unmöglich gewesen von der sauerei mit dem auslaufenden öl mal ganz abgesehen), grosse kalksteintröge, in denen, umgeben von olivenöl, weitere kalksteinblöcke lagern und langsam vom öl durchdrungen werden. ordnung und struktur, belebung und organisches, die sich gegenseitig ergänzen. mit beuys wollte ich mich schon länger mal wieder ausführlicher beschäftigen, vielleicht sollte ich mir zuerst einmal die neue dokumentation über ihn anschauen, die es seit diesem jahr gibt?

und die in der überschrift schon angeschnittene frage: warum kann man sich vor die seerosen von monet gemütlich auf ein sofa fläzen, aber vor dem baselitz steht nicht mal eine bank? (auch nicht vor kiefer oder penck)

überhaupt, kaum ist man mal in der grossen stadt unterwegs, sieht man so viel interessantes und neues, was man auch schon mal genauer wissen wollte. der nächste besuch ist schon geplant, im figurentheater stadelhofen gibt es zum saisonauftakt "alice im wunderland", diese aufführung werden wir aus gründen mit der tochter besuchen!

1 Kommentar:

  1. Interessant! Ich habe es auch erst nach zwölf Jahren regelmäßigen Zürichbesuchs ins Kunsthaus geschafft. Aber die Enkel kruegnen drinnen so schnell die Museumskrankheit...
    LG
    Astrid

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