Samstag, 4. Oktober 2025

brünn - kunstgewerbliches museum und konzert mit fazil say

und noch ein tag in brünn, unser letzter tag. an dem wollten wir uns gemütlich das kunstgewerbliche museum anschauen, vorher aber nochmal auswärts frühstücken - die doch arg ungemütliche tischsituation im appartement...

am museum erst ein bisschen irritation, ein eingang war gesperrt, mit hinweis auf eine veranstaltung - dass es noch einen anderen eingang gab und wir durchaus alles ausser der eingangshalle anschauen konnten, mussten wir selbst herausfinden. 

ein bisschen schade war das schon, dass drei viertel des foyers von irgendeiner businessveranstaltung belegt war, wir konnten uns  krištov kinteras installation démon růstu II aber trotzdem ganz gut anschauen. 

das kunstwerk besteht aus unzähligen bällen, kugeln und weihnachtsbaumschmuck besteht, scheint förmlich in das gebäude hineinzuwuchern. 

 

 den text dazu fand ich recht spannend - darum hier direkt im blog: 

In einer Gesellschaft des Überflusses wachsen die Dinge buchstäblich vor unseren Augen wie eine Zeitbombe. Vieles wird zu Müll, ohne auch nur einmal benutzt worden zu sein. Genau darum geht es in Kinteras „Demon of Growth”. Die großzügige skulpturale Form, die hauptsächlich aus verschiedenen Arten von Kugeln und Weihnachtsdekorationen besteht, reagiert auf einen bestimmten Raum, den sie gleichzeitig schmückt und absorbiert. Sie ist ein perfektes Beispiel für Kinteras künstlerische Manipulation unbewusster Assoziationen. Wachstum ist genetisch mit unserer Kindheit verbunden, ebenso wie Ballspiele und die Vorfreude auf Weihnachten. Deshalb betrachten wir nachhaltiges Wirtschaftswachstum automatisch als ebenso natürlich und lebensfördernd, obwohl wir seit Jahren beobachten, dass es schädliche Nebenwirkungen hat. Der Dämon des Wachstums verfolgt uns auf ähnliche Weise wie Barbucha den ungezogenen Bären in Vančuras Märchen verfolgte. Kintera kontaminiert die Moral mit Humor, was paradoxerweise deren Wirkung verstärkt. Lachen stört unsere natürlichen Abwehrinstinkte und ebnet den Weg zu den tieferen Schichten unseres Bewusstseins.


im erdgeschoss gibt es eine design-höhle, in der in verschiedenen schaukästen einzelne stücke von tschechischen designers präsentiert sind - ich hab mal zwei sachen ausgesucht, die mir gefallen haben: 
 
glas ist immer toll - und ich mag auch sehr gerne so experimentelle sachen ohne direkten gebrauchtswert. 
 
 
der sessel ist ein entwurf von adolf loos - also doch noch was von ihm gefunden. bequem stelle ich mir den aber nicht vor...
 
 

pausenplätzchen für uns. dann ging es weiter mit einem spannenden ausstellungskonzept - schwarz-weiss, bezogen auf das eher luftige,helle der glaskunst und das stärker erdige, dunkle des porzellans. 


hat sich mir nicht so erschlossen, war aber vor allem spannend, weil es in der überfülle nicht nur scheussliches, sondern auch ausgesprochen schöne stücke zu sehen gab. 


das plakat fand ich einfach zu gut, um es nicht zu zeigen - es wirbt für ein tschechoslowakisches bürgerforum und auf den ersten blick liest man "herbst 89", also die zeit, in der es in vielen ehemaligen ostblockstaaten zu einschneidenden reformen kam. wenn man es auf den kopf stellt, dann steht da aber "frühling 68" - eine zeit in der der wunsch nach reformen scheiterte und schliesslich mit russischen panzern niedergeschlagen wurde. 
 
vom museum aus spazierten wir wieder in die wohnung - unterwegsentdeckungen diesmal (hin- und rückweg): 
 
eine ausstellung mit einem stadtmodell - im süden der stadt soll ein riesiger neuer bahnhof entstehen und ganz viel stadtentwicklung stattfinden, hoffentlich denken sie dabei auch an die radfahrenden... (foto nix geworden). 
 
während bei uns zuhause frau brüllen die römer ausgräbt, wird hier in brünn etwas aus dem dreizehnten jahrhundert genauer untersucht, bevor hier ein neuer konzertsaal entsteht. 

was für ein hübsches schaufenster - im laden gibts nüsse, was auch der name des ladens ist. 
 
pause im appartement, kaffee im appartement, aufräumen und packen - denn am abend haben wir pläne: 
 
heute klassische musik! verkündet das transpareht am janacek theater. 

kai hatte beim durchsehen der veranstaltungen ein konzert entdeckt und gleich für uns zwei karten gebucht, fazil saj am klavier und dennis russel davis als dirigent spielten mit den brünner philharmonikern das dritte klavierkonzert von beethoven und anchschliessend ohne den pianisten die fünfzehnte sinfonie von schostakowitsch. kai sagen ja sowohl die namen als auch die stücke etwas, mir nur das zweite stück, das gespielt wurde, weil ich aus historischem interesse neulich eine podcast über schostakowitsch gehört hatte. ich lasse mich aber immer gerne auf musikalische abenteuer ein - vor allem dann, wenn man auch noch in so ein haus dabei kommt. 
 
das untere foyer - bester sozialistischer pomp, aber halt mit tschechischer gestaltungsnote - mich erinnerte vieles an unser natürlich viel, viel kleineres stadttheater hier in baden, tatsächlich ist die geschichte auch eine ganz ähnliche, mit architekturwettbewerben, die von der weltgeschichte überholt wurden und einer eröffnung in den sechziger jahren. 
 

zuerst beethoven: 

das orchester zuerst mit flügel und gar nicht mal so grosser besetzung - dirigent und pianist waren vom zweiten balkon aus noch gut zu erkennen und die musik noch besser zu hören. 


das oberen foyer während der pause. 

dann schostakowitsch. 


über ihn hatte ich eben gerade einen vierteiligen podcast gehört - vier töne gegen stalin - und war vor allem davon beeindruckt gewesen, wie man mit musik so viel inhalt transportieren kann, halt manchmal auch den politisch "falschen"... die hörbeispiele im podcast fand ich vor allem pompös, das stück, das wir gehört haben, im ersten satz ein grosser klamauk, der mich an die krachmachmaschinen von tinguely erinnerte, wo auch immer irgendwo irgendetwas passiert und es irgendwo klingelt, scheppert, rumpelt. aber der zweite satz war schön und melodisch, der dritte ein bisschen langweilig und der letzte schlicht schön und wieder spannend, was die instrumente anging. und irgendwo zwischen achtzing und neunzig personen auf der bühne. ein schöner, letzter abend in mähren, den wir anschliessend in der weinstube, die wir nun schon den dritten abend ansteuerten, ausklingen liessen. wie so alte stammgäste wurden wir beim reinkommen schon gefragt, ob wir wieder den selben wein trinken wollten... 

***

frühmorgens am denkmal für die befreiung durch die sowjetische armee - spannenderweise wird das denkmal auf google-maps diskutiert. 

und dann ging es am tag drauf nach hause. ein bisschen spannend war das dann noch, weil wir ja das auto in der tiefgarage beim theater versorgt hatten und erst einmal abholen (und fünf tage parken bezahlen), dann einen parkplatz beim haus finden und alles einpacken mussten. wir sagten uns einfach, dass es jetzt auf ordnung auch nicht mehr so richtig ankäme, da wir ja nur noch nach hause fahren würden, ging dann aber doch erstaunlich geordnet vonstatten, das alles. um halb neun starteten wir in richtung süden, fuhren nochmal durch die weinberge in südmähren, kauften ein bisschen wein nach und ein paar süssigkeiten im supermarkt und nahmen dann die restichen knapp neunhundert kilometer unter die räder, mit ein paar pausen waren wir um kurz vor zehn zuhause. 

 

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