für den auftakt unserer reise und den ersten aufenthalt habe ich uns die weinregion im äussersten süden mährens ausgesucht. unserer wohnung auf zeit befindet sich für fünf tage auf dem riesigen areal der schlösser valtice und lednice.
am ersten tag haben wir uns mit dem fahrrad auf eine erkundungsrunde gemacht, dabei sind knapp 30 kilometer fahrtstrecke zusammengekommen und wir haben sicher noch nicht einmal die hälfte des schlossareals erkundet.
deckendetail - auch an den türfüllungen hatte es jeweils ganz kunstvolle schnitzereien - hab ich leider nicht fotografiert. |
aus heutiger sicht eigentlich kein repräsentationsraum, auch im neunzehnten jahrhundert vermutlich nicht mehr so richtig, aber die glastüre zum flur irritiert dann halt schon... |
distinktionsmerkmal fremde kulturen, hier ein paar schilde und speere aus afrika, da ein bisschen chinesisches porzellan und oben halt eine feine kleine malerei, ebenfalls im chinesischen stil. |
sichtachse zum minarett - kann man sich heute kaum mehr vorstellen, aber es gab zeiten, da hat man sich einfach so zur deko ein minarett in den vorgarten gestellt. |
und das fand ich dann den knaller: das riesige palmenhaus ist einfach so mit dem schloss verbunden. wenns passt, würde ich auch noch gerne das palmenhaus anschauen. |
die schlösser valtice und lednice mitsamt den riesigen sie umgebenden ländereien waren besitzungen der liechtensteiner.
als wir am abend wieder im ferienhaus waren, musste ich nachschauen: ja, es handelt sich tatsächlich um das einstmals niederösterreichische fürstengeschlecht, das heute noch ein eigenes, wenn auch kleines territorium als unabhängigen staat verwaltet, das fürstentum liechtenstein im oberrheintal. aber wie hängt das alles zusammen?
nun, in böhmen und mähren waren die liechtensteiner seit dem mittelalter, vermehrt aber nach der schlacht am weissen berg und damit dem beginn der herrschaft der katholischen habsburger über die länder ansässig. hier waren sie aber immer als lehnsnehmer auch untertanen der böhmischen könige, nicht direkt nur dem kaiser untertan. um reichsunmittelbar zu werden und damit auch im reichstag zu sitzen, kauften sie den verarmten fürsten von hohenems ihr territorium im oberen rheintal rund um vaduz ab. gelebt, politik gemacht und gewirtschaftet haben sie dort zunächst nicht, sondern in wien, prag und eben hier in südmähren, waren aber so schlau, sich ihr fürstentum anfang des neunzehnten jahrhunderts von napoleon als staat anerkennen zu lassen. 1945 verloren die liechtensteiner dann den besitz in der tschechoslowakei durch enteignung, immerhin 2% der landfläche tschechiens und damit 10 mal mehr als das kleine fürstentum, auf das sie sich in der folge zurückzogen. auch nach der samtenen revolution hatten klagen der fürstenfamilie keinen erfolg und so wird das areal bis heute vom tschechischen staat verwaltet.
verteilt auf dem ganzen schlossareal trifft man immer wieder auf tempelchen, triumphbögen, belvederes und was sonst noch zu einem schloss gehört - hier im bild der apollotempel. |
fahrradwege
insgesamt waren wir knapp 100 kilometer mit dem fahrrad unterwegs - das gelände rund um die schlösser ist weitgehend eben, es gibt aber auch bergigere strecken und die qualität der radwege ist absurd unterschiedlich: von eigens angelegten und von allen anderen verkehrsteilnehmern getrennten radwegen in valtnice bis zu längeren abschnitten auf gut befahrenen schnurgeraden öffentlichen strassen, die alle autofahrer zum rasen einladen, und auf denen man garantiert mindestens einmal links abbiegen muss, vom asphaltierten strässchen über den schlickerigen waldweg bis zur holperpiste, die vermutlich die römer mit kopfsteinen aus kalkstein angelegt haben - alles als radweg angeschrieben. am besten, man erwartet nicht all zu viel, dann wird man immer mal wieder angenehm überrascht.
dafür verpasst man dann auch die herbstzeitlosen nicht.
ferienhaus
unser ferienhaus liegt direkt an einem der zahlreichen fischteiche - ob man hier baden kann, haben wir noch nicht herausgefunden, aber bisher war das wetter auch zu wenig einladend dazu. vor dem haus jedenfalls hat es einen breiten schilfgürtel, hier ist jedenfalls sicher keine badestelle. das haus selbst ist recht typisch für ein tschechisches ferienhaus mit viel altem zeug eingerichtet und nicht so recht gemütlich. aber als ausgangspunkt auf dem areal valtnice-lednice ist es prima - und vielleicht können wir ja an einem der nächsten tage auch mal noch den grossen garten nutzen.
wein
ja, hier wird wein angebaut. was man auch akustisch jederzeit mitbekommen kann, wird doch derzeit die ernte vor vögeln mittels wildem geballere geschützt. wie uns dieses dauerhintergrundgeräusch stresst, haben wir erst mitbekommen, als es in mikulov so richtig schön still war. in den touristisch gut erschlossenen dörfern bei den schlössern ist das mit dem wein so eine sache - abseits kann man aber auch winzer finden, die ihren eigenen wein direkt verkaufen und in mikulov gibt es reichlich weinstuben und auch weinläden. wir haben einfach beim ersten offenen winzer halt gemacht, ausschliesslich hiesige sorten probiert und haben nun ein kistchen palava-wein auf unserer weitern reise dabei. mal sehen, wie lange es uns begleitet...
archäologie
um auch einmal das schlossareal zu verlassen sind wir ebenfalls mit den fahrrädern nach pavlov gefahren, wo sich der archäopark befindet, ein archäologisches museum, das die ausgrabungen in dolni vestonice und pavlov dokumentiert. das gebäude selbst ist schon wegen seiner architektur einen besuch wert, die ausstellung ist sehr modern und dreht sich nicht ausschliesslich um den berühmtesten fund der gegend, die venus von vestonice, weltweit die älteste bekannte keramikfigur - aus dem paläolithikum. besonders gut gefallen hat mir der einführungsfilm, der anhand der geschichte der ausgrabungen schön sichtbar macht, dass unser bild von vergangenen epochen (vulgo: geschichte) eben nicht auf unverrückbaren tatsachen beruht, sondern auf dem, was wir mit den jeweils in der zeit zur verfügung stehenden mitteln und interpretationen an erkenntnissen gewinnen können - oder auch wollen, meinetwegen sogar: was uns erlaubt/nahegelegt wird, zu konstruieren. (alle ausstellungstexte zum nachlesen, auch auf englisch hier)
das zweite plus im museum: eine ausstellung beschäftigt sich mit dem wirken der venus und der mal mehr, mal weniger künstlerischen auseinandersetzung mit dieser ganz speziellen frauenfigur.
überraschung
von pavlov aus wollten wir nicht wieder die gleiche strecke zurück fahren und wählten deshalb den weg über mikulov, eine stadt, die uns auf der fahrt zum ferienhaus (zugegebermassen waren wir ein bisschen genervt, weil wir so in eile waren) nicht besonders attraktiv erschienen war. nun mit dem fahrrad sah das schon ganz anders aus: ein ganz und gar untypischer platz mit einem sehr überraschenden ausblick, ein paar nette strassencafés und ein gutes stückchen kuchen nahmen uns ganz für das städtchen ein.
wir mussten irgendwann trotzdem weiter, zuerst noch was fürs abendessen einkaufen, dann ging es entlang der tschechisch-österreichischen grenze und auf dem radweg zum thema eiserner vorhang zurück ins ferienhaus.
ein in meinen augen gelungenes mahnmal für die vielen menschen, die hier an der grenze zu österreich zu tode gekommen sind - wie so oft auf unseren reisen begleitet uns auch hier wieder ein stück europäische geschichte.
und nochmal: mikulov
am donnerstag haben wir spontan eine planänderung beschlossen - die ursprüngliche idee war, eine weinprobe zu machen und zwar in der nationalen weinausstellung im schloss valtice. so attraktiv hatten wir aber das städtchen von unserem ersten abend nicht in erinnerung und nach der entdeckung am tag zuvor, wollten wir lieber mikulov weiter erkunden. und für einmal auch nicht mit dem fahrrad, sondern mit dem auto.
wir parkten hinter dem schloss und das erwies sich auch wieder als glücklicher zufall - denn so entdeckten wir schon auf dem weg in die stadt eine gaststätte in der wir später lecker zu abend assen.
zuerst aber führte uns unser weg auf das schloss (auch das einmal liechtensteinischer besitz) - weil wir herausgefunden hatten, dass dort ein weiterer teil der ausstellung zur künstlerischen auseinandersetzung mit der venus von vestonice gezeigt wurde. die ausstellung erwies sich als erstaunlich versteckt, wurde extra für uns aufgeschlossen und das auch erst, nachdem wir uns angemessen lang mit einer ausstellung über mode vom 18. bis ins 20 jahrhundert beschäftigt hatten.
eine ganze armee aus venussen - nicht ganz alle weiblich. |
mit glas bekommt man mich, fast immer. |
die fand ich schon in pavlov spannend: venus, angezogen mit traditionellem mustern. |
landschaft ist weiblich. |
und dann gab es noch etwas in den absolut weitläufigen räumen des schlosses zu entdecken - lokale künstler:innen stellen aus, es sah zusätzlich nach einer residenz in den räumen des schlosses aus.
veronika vlkova stickt und malt mit farben aus der natur. |
dagmar subrtova arbeitet mit pigmenten aus umliegenden steinbrüchen. |
nach einem besuch im schlosscafé wollten wir eigentlich auf den hügel gegenüber:
kamen dann aber erstmal (nicht) an den schlossgärten vorbei.
aber endlich starteten wir dann doch noch auf den svaty kopecek.
oben angekommen bot sich uns ein weiter blick ins land - mit tief stehender sonne allerdings keine gute chance auf schöne fotos - wir haben es also einfach genossen, so weit in alle richtungen zu schauen, ein bisschen gerastet und sind dann auf anderem weg zurück ins städtle gelaufen.
gerne wären wir noch auf dem grossen platz oder irgendwo anders auf ein glas wein eingekehrt, aber wir hatten ja das auto dabei... anders als in anderen tschechischen städten war hier auch noch am abend auf den strassen und plätzen leben, man müsste also vielleicht schon mal hier quartier nehmen... wir sassen dann einfach so auf dem grossen platz bevor wir auf der terrasse des erwähnten lokals zu abend assen. beim gehen bewunderten wir die perfekte abenddämmerung in der ebene, bis wir am ferienhaus waren, war es stockdunkel mit einem feinen sternenhimmel.
und noch einmal lednice
nachdem wir am ersten tag mehr drumherum geradelt waren, wollten wir am letzten tag den grossen park von schloss lednice noch einmal genauer anschauen. die räder liessen wir am schloss, denn radfahren ist im ganzen park verboten.
unser erster weg führte uns um das schloss mit angschlossenem gewächshaus herum und hinunter in den landschaftsgarten mit viel wasser. über einige inselchen und auf verschlungenen wergen näherten wir uns dem minarett, das so etwa den äussersten punkt des gartens markiert.
ein bisschen hinter dem minarett starten die schifffahrten zurück zum schloss oder - die haben wir genommen - zur burg hranov, einer romantischen ruine. so tuckerten wir eine dreiviertel stunde lang einen künstlich verschlungenen wasserlaug entlang und liessen uns (wieder ausschliesslich auf tschechisch) etwas über fauna und flora im park erzählen - immerhin habe ich mitbekommen, dass es vor allem um tiere und pflanzen ging, darüber hinaus eher wenig. wir sahen eine schlange im wasser, sehr spezielle jungvögel am ufer und viel, viel grün.
von der anlegestelle gingen wir dann wieder zu fuss zum schloss zurück. der park ist an den rändern recht wild, wir sahen drei bisamratten (keine biber - aber die gibts auch) und viele kranke und abgestorbene eichen.
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auch direkt im landschaftsgarten dürfen viele tote bäume einfach stehen bleiben, der hier stand etwas abseits. |
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den vorwiegend sehr alten eichen machen offensichtlich riesige insekten zu schaffen - was könnte da fressen? |
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und noch einmal herbstzeitlose, diesmal vor echter ruine. |
zurück am schloss wollte ich dann doch noch ins gewächshaus, kai nicht mehr. es folgt eine längere bilderstrecke. anders als gedacht gab es keine führung durchs gewächshaus, auch keinerlei infotafeln.
am ende war ich recht froh, dass ich wieder gehen durfte - allerdings nicht durch diese türe.
nun sind wir am ende unserer ersten etappe der reise durch mähren angelangt, heute geht es weiter nach olmütz. der blogpost wollte nicht so recht fertig werden, weil ich beim hochladen der bilder probleme hatte - lag aber weniger an der schlechten verbindung als an mir, dafür sind jetzt auch alle ferienbilder in der cloud gespeichert... deshalb habe ich den post zunächst thematisch konzipieren wollen, danach wurde er aber dann doch wieder eher chronologisch, ich bitte allfällige verwirrungen zu entschuldigen.
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