Donnerstag, 2. Oktober 2025

brünn - villa tugendhat

noch weit vor allen anderen sehenswürdigkeiten wird für eine reise nach brünn der besuch der villa tugendhat vorgeschlagen - eine um 1930 nach den plänen von mies van der rohe gebaute moderne villa eines brünner textilfabrikanten. es ist nicht ganz einfach, dafür an tickets zu kommen, noch schwieriger eine englische (gibt es überhaupt führungen in deutscher sprache?) führung zu erwischen, aber wir hatten wenigstens das glück zwei plätze für eine führung in landessprache zu reservieren. 

von unserem quartier aus konnten wir zu fuss zur villa gehen und weil wir mit ein sicherheitsabstand gestartet waren, uns auch zuerst einmal im garten umschauen - wegen tschechischer führung hatten wir uns schon am vorabend ein bisschen eingelesen.

 
das grundstück hatten die tugendhats von den eltern der jungen frau tugendhat, einer geborenen löw-beer, geschenkt bekommen, es liegt oberhalb der elterlichen villa, zwei weitere villen von anderen industriellen sind ganz in der nähe. 

unsere führung startete um halb elf in einer kleine gruppe (ich denke etwa 15 personen) im obersten geschoss, in dem man das haus von der strasse her betritt. die gruppe war sprachlich gemischt, für uns und einige andere gab es zusätzliche texte in deutsch, englisch und polnisch. 

der blick von der obersten terrasse ist beeindruckend und geht über die ganze stadt mit peter und paul kirche und der festung spilbergk - vieles davon, was wir heute sehen, dürfte zur entstehungszeit der villa noch gar nicht gestanden haben. 

nach einer einführung auf der terrasse - das gebäude ist eine dreigeschossige stahlskelettkonstruktion, was einerseits eine freie flächeneinteilung und grosse offene räume ermöglicht, andererseits auch immer eine gliederung durch die vorhandenen stützen nach sich zieht, die je nach nutzungsbereich ganz verschieden aussehen. 


 

als erstes ging es dann in die wohnräume der familie. die möblierung ist nur zu kleinen teilen original erhalten, sondern bei der restaurierung in den achtziger jahren nach fotos und plänen rekonstruiert worden. die familie tugendhat hat nur etwa acht jahre in der villa gelebt, 1938 sind sie nach der annektion des sudetenlandes durch hitlerdeutschland vor der drohenden verfolgung als juden zuerst in die schweiz, dann nach südamerika geflohen. von den nazis beschlagnahmt, diente das haus zuerst noch als wohnhaus, nach 1945 als gebäude der roten armee und später als orthopädische abteilung des nahegelegenen kinderkrankenhauses. bereits in den sechziger jahren gab es die idee, das gebäude wieder in seiner ursprünglichen form auch der öffentlichkeit zugänglich zu machen, es dauerte aber noch bis in die achtziger jahre, bis die rekonstruktion angegangen wurde, zuerst nutzte es dann die stadt für offizielle anlässe, erst später wurden führungen ermöglicht und das gebäude ins unesco weltkulturerbe aufgenommen. 



das unter den wohnräumen der familie gelegene geschoss ist fast vollkommen offen und dient als wohnbereich mit verschiedene funktionen, gegliedert wird es lediglich durch eine wand aus onyx, ein halbrund aus einem speziellen ebenholz und verschiedene vorhänge. in diesem bereich sind die stahlstützen verchromt. 

die türklinken sind wie die ganze haustechnik original erhalten und funktionieren auch noch - ein belüftungssystem, die heizanlage und die möglichkeit, die fenster auf der nach südwesten gelegenen seite ganz im boden zu versenken waren zur bauzeit echte technische neuerungen (wer sich dafür interessiert, sollte die grosse führung buchen, denn mit der können auch die technikräume im untergeschoss besucht werden). 


die führung (im bild der junge mann, der uns die villa gezeigt hat) war übrigens ganz hervorragend angelegt - es gab nach einer kurzen einführung um was für räume es sich handelte, zunächst gelegenheit, sich umzusehen und erst anschliessend details und hinweise zu einzelnen punkten. das gab uns zeit, die deutschen erläuterungen zu lesen und anschliessend doch zu versuchen, möglichst viel vom vorgetragenen zu verstehen. 

als einzige abgetrennte räume befinden sich in diesem geschoss die grosszügigen wirtschaftsräume mit küche, vorratsräumen und vielen, vielen schränken... 

 
unsere führung endete im untersten geschoss, wo heute eine kleine ausstellung zur renovierung des hause durch den architekten kamil fuchs und ein devotionalienhandel eingerichtet ist, in dem man allerhand schnickschnack kaufen kann, aber auch vertiefende lektüre erwerben. 
(wer gerade keine zeit oder lust hat, nach brünn zu fahren, aber sich die villa anschauen möchte, kann auch einen virtuellen rundgang machen, hier entlang.)  

wir nutzten die gelegenheit, uns noch ein bisschen im stadtteil umzuschauen - ich hatte da nämlich noch etwas ganz spezielles entdeckt: 




 hier verfällt seit anfang des jahrtausends das fussballstadion za lužánkami, das in den fünfziger jahren immerhin mal das grösste der čssr gewesen ist. 

ein kurzer weg durch den lužánky-park brachte uns in unsere ferienwohnung zurück - wo wir eine kleine pause einlegten und feststellten, dass wir allmählich ein bisschen reisemüde geworden sind. mit den velos fuhren wir anchliessend noch zum nächstgelegenen postamt, gaben ein paket an die tochter in den niederlanden auf und mussten dann allerdings feststellen, dass sich die stadt, ganz anders als olmütz, so gar nicht zum radfahren eignet. es gibt zwar ein paar ausgewiesene radrouten, verführerischerweise gerade neben unserer unterkunft, aber selbst auf diesen muss man regelmässig mit "gemischtem verkehr" rechnen, was konkret vierspurige strassen mit strassenbahn und viel verkehr bedeutet. zusätzlich begann es leicht zu regnen und es ist mittlerweile richtig herbstlich geworden. 


also nochmal pause, was aber auch ganz gut war, denn die suche nach einem restaurant gestaltete sich an diesem abend eher mühselig und war auch nur so halb von erfolg gekrönt. schade, es wäre unser letzter abend für ein schönes abendessen gewesen, morgen geht es ins konzert.  

 

2 Kommentare:

  1. Da ist sie ja, die Villa Tugendhat. Und das aufgelassene Stadion habt ihr auch entdeckt. Gut zu wissen, dass es nicht allzuweit von der Villa Tugendhat entfernt ist. Auf die Villa Tugendhat jedenfalls bin ich schon sehr gespannt. Es wird wohl die große Tour werden müssen. Immerhin sind alle Frauen unserer Reisegruppe Architektinnen, und die Männer zumindest technisch interessiert ;-)
    Liebe Grüße, heike

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  2. Das fand ich jetzt richtig lustig, dass Du im letzten Kommentar das Stadion erwähnt hast und ich ja schon wusste, das kommt dann schon noch...
    Ich denke mit kundiger Führung aus dem Kolleginnenkreis ist Brünn sicherlich richtig spannend! Wir waren nach zwei Wochen unterwegs einfach ein bisschen zu müde und hatten auch schon ein bisschen zu viel gesehen, um uns so richtig auf die Stadt einlassen zu können. Und das mit den geschlossenen Museen montags und dienstags war halt schon arg doof - andererseits: hätten wir uns sonst mit Roma-Kultur beschäftigt? Hat vielleicht alles sein Gutes!

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