was wir im garten suchen, ist die gegenwelt. der schönste ort auf erden. ein zaun gehört drum, allenfalls ein türchen ist erlaubt. dieser ort kann überall sein. manchmal ist er nur im kopf.
Mittwoch, 12. September 2018
12 von 12 im september 18 (und tagebuchbloggen mittwoch)
mein frühstück. wie immer filterkaffee und müesli mit obst. den rat der tochter, die obstscheiben doch wegen des fotos oben drauf zu legen habe ich leider zu berücksichtigen vergessen. aber der kaffee hat ja auch keine crema und keinen milchschaum und überhaupt keine latteart.
genauso wenig fotogen war mein vormittag. waschküche und wäschetrockner staubsaugen und saubermachen, keller aufräumen, beim milchexpress noch schnell was fürs znacht für die kinder einkaufen und wenigstens ein bisschen bügeln.
anschliessend habe ich meine tasche gepackt für einen ausflug auf einladung der nike, der nationalen informationsstelle für das kulturerbe. ich bin schon ewig auf deren verteiler und bekomme deshalb auch immer die informationen zu den europäischen tagen des denkmals im september. in diesem rahmen lud nun nike gemeinsam mit der schweizerischen akademie für geistes- und sozialwissenschaften und dem kanton zürich zu einer veranstaltung ins industrieensemble neuthal. mutig habe ich mich angemeldet und dann in den letzten tagen aber wieder bedenken bekommen, ob ich mit meiner sehr gemischten interessenlage da überhaupt die richtige adressatin sei oder ob da eigentlich nur fachpublikum zugelassen wäre und ich nur aus versehen eingeladen und sicher gleich am anfang als hochstaplerin entdeckt werden würde...
weil die veranstaltung um 12 uhr am bahnhof wetzikon startete, habe ich mir mein mittagessen auf die zugreise mitgenommen.
am bahnhof wetzikon wurden wir in empfang genommen (ohne peinliche befragung nach der legimation unseres hierseins... uff), in gruppen eingeteilt und durften in die beiden bereitgestellten historischen omnibusse einsteigen. (guck mal kai, ein bus mit faltdach!)
in neuthal gab es dann zunächst eine kurze begrüssung und dann eine besichtigung in gruppen. man konnte im vorhinein zwischen spinnerei, weberei, handstickerei und wasserkraft auswählen. da wir schon einmal die spinnerei besichtigt hatten, habe ich mich für die weberei entschieden.
da es in der sammlung der webmaschinen um die weberei im industriellen zeitalter geht, haben wir nur sehr kurz zwei alte vorindustrielle webstühle angeschaut, dann ging es gleich in die details der weiterentwicklung der schützenwebstühle im 19. jahrhundert.
bis etwa mitte des zwanzigsten jahrhunderts waren schützenwebstühle überall auch in industriellen webereien im einsatz. im schützen wird eine spule mit garn durch das fach geschossen, gipfel der mechanisierung war eine webmaschine, die die spulen selbstständig austauschen konnte.
erst in den 1960er jahren wurden greifermaschinen entwickelt. hier wird der faden von einer grossen kone zugeführt, von einem greifer ergriffen und durch das fach gezogen. das fach kann wesentlich kleiner sein, und es muss nicht das gewicht der spule transportiert werden, was deutlich höhere geschwindigkeiten beim mechanischen weben erbrachte.
die nächste weiterentwicklung waren webmaschinen, die den schuss mit hilfe von luft eintragen, im bild eine besonders schnelle webmaschine, die es ermöglicht, mehrere schussfäden auf einmal einzuschiessen und so bis auf 3200 schussfäden pro minute kommt. sie stammt aus den neunziger jahren des vorigen jahrhunderts, hat sich aber nicht durchsetzen können, da die höhere geschwindigkeit auch eine umorganisation des gesamten arbeitsprozesses gebraucht hätte.
vermutlich sehen sie es schon... hier wurde schon sehr stark spezialisiertes fachwissen an den laien und die laiin gebracht. geführt wird übrigens in neuthal von freiwilligen, die meist in ihrem berufsleben mit den entsprechenden maschinen zu tun hatten. nicht nur in der weberei, sondern auch in der spinnerei und der stickerei.
einzig die wasserkraft dürfte in ihrer ursprünglichen nutzung keiner der herren mehr erlebt haben.
nach der führung in der weberei war noch ein wenig zeit, das gelände auf eigene faust zu erkunden und ich schaute mir noch die antriebstechnik an. im 19. jahrhundert wurde die fabrik in neuthal, übrigens ursprünglich eine baumwollspinnerei, an diesem ort wegen der vorhandenen wasserkraft gegründet. so viel wasser wie im tösstal oder im aathal fliesst dort allerdings nicht, weswegen man die wasserkraft besonders effizient ausnutzen musste. dies geschah unter anderem in einem turbinenturm, in dem man das wasser in einem druckrohr auf eine girard-turbine leitete und die kraft dann per seiltransmission in die fabrik übertrug. bei einem kraftverlust von 50% nicht besonders effektiv aber vor der technischen nutzung der elektizität die einzige möglichkeit.
eine station der seiltransmission.
und die eigens für mich angeworfene girard-turbine. (ich habe ein bisschen nasse füsse bekommen.)
seit dreissig jahren gibt es im industrieansemble neuthal führungen zu verschiedenen textilen verarbeitungsstufen, vorwiegend von freiwilligen spezialisten organisiert und durchgeführt. die krise der textilindustrie, wie auch der textilmaschinenindustrie in der schweiz hat zahlreiche exponate in diese räumlichkeiten gespühlt, die nun allmählich auch als kulturerbe wahrgenommen werden. bei den an die besichtigungen anschliessenden vorträge ging es nun um eine professionalisierung und ausweitung des museumsbetriebs in neuthal.
momentan sind die sammlungen für einzelne besucher nur sehr schwer zugänglich, gruppenführungen sind hingegen einfach zu vereinbaren. das soll sich nun ändern, zieht aber auch veränderungen in der infrastruktur und organisation des hauses nach sich.
vorträge und podiumsdiskussion waren sehr spannend und zunächst hätte ich mich dem gedanken des aufbruchs in neuthal gerne angeschlossen - alleine ein gespräch mit dem verantwortlichen in der stickerei hat mich nachdenklich gemacht und arbeitet momentan in mir.
freuen würde es mich, wenn die sammlungen in neuthal besser zugänglich wären, auch die aufarbeitung der sozial- und wirtschaftgeschichte der schweizer textilindustrie und die weltweite vernetzung dieser themen damals wie auch heute ist durchaus wünschenswert - aber wie geht es für die freiwilligen in neuthal weiter, wenn der betrieb professionalisiert und ausgeweitet wird?
einerseits "erodiert" das wissen um diese alten techniken (will heissen, die herren und damen, die noch wissen, wie es geht werden älter und sind irgendwann nicht mehr unter uns) und sollte dringend weitergegeben werden, andererseits lebt eine darstellung ja auch von ihrer authentizität...
ein kleines beispiel:
herr müller, der uns gemeinsam mit zwei kollegen durch die geschicht der webmaschinen der letzten 150 jahre geführt hat, nimmt klar stellung zum thema "niedergang der schweizer textil(maschinen)industrie". er erklärt, dass länder wie china, indien, indonesien, die selbst baumwolle produzieren in den vergangen 50 jahren eine eigene textilindustrie aufgebaut haben und dass, wo die textilindustrie wächst, auch die produktion von textilmaschinen ansteigt. kein wunder also, dass diese länder keine maschinen mehr in der schweiz oder europa nachfragen.
eine geschichte erzählt er dazu - in verhandlungen um den verkauf einer webmaschine nach indonesien wurde beharrlich um den preis verhandelt. als sich die verhandlungen festgefahren hatten, bat der indonesische geschäftspartner herrn müller ins lager. dort zeigte er ihm schachteln mit fertigen hemden, die das label eines schweizer grossverteilers trugen. der grossverteiler war nicht bereit, die hemden abzunehmen, pro hemd ging es um 2 rappen, die man in der schweiz nicht zu bezahlen bereit war.
ooh, hier steht schon der bus für die rückfahrt bereit!
der bus brachte uns nach wetzikon, die s-bahn nach zürich und dann nach baden. nun bin ich wieder zuhause, begrüsst von licht im esszimmer und mittlerweile allen heimgekehrten kindern.
gut nacht! schlafen sie gut!
die anderen 12von 12 sammeln sich heute wieder bei caro, wo ich jetzt glaub noch ein bisschen lesen und schauen gehe!
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